Das einsame,
hellerleuchtete Fenster
Es ist drei Uhr nachts. Wie so oft in der letzten Zeit werde ich regelmäßig zu dieser Stunde wach. Mein Mund ist trocken und ich tappe barfuss in die dunkle Küche, um mir einen Schluck kalte
Selter aus dem Eisschrank zu holen. Während ich das kalte Getränk genieße, stelle ich mich ans Fenster und lasse meinen Blick über die Straße gleiten. Alles ist ruhig und bis auf den Schein der
Laternen in Dunkelheit getaucht. Ich liebe diese Augenblicke. Sie vermitteln mir ein Gefühl der Ruhe und des beschützt sein. Als würde ich mich in einer eigenen kleinen Welt befinden, in der
alles in Ordnung ist. In der es nur Frieden gibt. Ich hatte noch nie Angst vor der Dunkelheit. Im Gegenteil, es ist, als ob sie mich mit ihren sanften Armen umhüllt und behütet. In diesen
Augenblicken sind meine Gedanken und Sinne weitaus geschärfter, als sie es am Tage, jemals sein werden. Doch diesmal fällt mein Blick auf ein einsames, Hellerleuchtetes Fenster an der
gegenüberliegenden Häuserfront. Das ist ungewöhnlich. Denn sonst ruhen die Bewohner dort, um diese Zeit, schon längst in Morpheus Armen. Aber was weiß ich wirklich von den Menschen dort drüben?
Ich weiß nicht einmal genau, wer dort wohnt. Obwohl man sich auf unseren Kiez schon recht gut kennt. Man grüßt sich und führt das eine oder andere unverfängliche Gespräch. Natürlich nicht so
intim, wie es vielleicht in einem Dorf zugeht. Doch für eine Großstadt finde ich unsere Nachbarschaft doch recht familiär. Aber was geht nun hinter diesem Fenster vor? Geht es den Menschen dort
gerade gut oder hat er Sorgen? Ist er krank und braucht Hilfe? Plagt ihn die Einsamkeit oder kann er nur nicht schlafen? All das entzieht sich meiner Kenntnis und für die meisten von uns, ist es
nicht einmal einen kurzen Gedanken Wert. Ich finde das sehr bedauerlich. Denn dadurch tragen wir alle unseren Teil dazu bei, dass unsere Gesellschaft immer mehr der Gleichgültigkeit und dem
Egoismus verfällt. Und schon bin ich wieder mittendrin in meinem Traum von einer schöneren und besseren Welt. In einer Welt, in der wir uns gegenseitig helfen und unterstützen, statt nur
irgendwelche Feindbilder aufzubauen. Wäre es nicht schön, wenn wir alle ein wenig näher zusammenrücken würden? Wenn wir aus den Erfahrungen der Alten etwas lernen würden und sie in unseren Alltag
integrieren würden, anstatt sie in Altenheime abzuschieben? Wenn wir Zeit und Liebe in die Zukunft unserer Kinder stecken würden und sie nicht so früh wie möglich in irgendwelchen Institutionen
unterbringen, in denen sie auf das Leben vorbereitet werden sollen. Ein Leben, in dem nur der Stärkste, eine Zukunft hat? Damit wir Ameisen gleich, die Bedürfnisse einiger wenigen befriedigen
können. Bloß nicht unsere eigenen Bedürfnisse! Ahnen wir, was wir uns und den folgenden Generationen damit antun? Und da fällt mir der Spruch von Mahatma Gandhi ein. „Die Welt hat genug für
jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier.“ Ich glaube, darüber sollten wir viel mehr nachdenken und auch handeln. Ja, ich sehe, dass es immer mehr Menschen gibt, die aufwachen und
sich den Ungerechtigkeiten stellen. Sich nicht mehr alles gefallen lassen und sich zur Wehr setzen. In kleinen Schritten, die immer größer und vielleicht eines Tages zu einer großen Welle werden.
Auch ich versuche täglich diese kleinen Schritte in meinen Alltag zu bringen und werde weiter von einer besseren und gerechteren Welt träumen. Und wer weiß, eines Tages